2017 belegte Kopenhagen zum zweiten Mal in Folge den 1. Platz des Copenhagenize Index und ist somit definitiv eine der fahrradfreundlichsten Städte weltweit. Am Beispiel der dänischen Hauptstadt zeigt sich, dass der Weg zu einer nachhaltigen Stadt mit hoher Lebensqualität über die Verkehrspolitik bzw. Planung für eine fahrradgerechte Stadt führt.

Wir haben Kopenhagen einmal genau ins Visier genommen und geschaut, was die dänische Hauptstadt im Detail so fahrradfreundlich macht.

Inhaltsverzeichnis

Die (Fahrrad-)Hauptstadt Dänemarks in Zahlen

  • Einwohner gesamt:602 481 (Stand 2018)
  • Fahrräder gesamt: 675.000 (Stand 2016)
  • Stadtfläche gesamt: 87 km² (Stand 2018)
  • Verkehrsmittelwahl (Modal Split): Autoverkehr 34%, Fahrradverkehr 29%, Fußverkehr 19%, ÖPNV 18% (Stand 2016)
  • Gesamtlänge des Radwegnetzes: 400 Kilometer (Stand 2018)
  • Geschlechterverteilung der Fahrradfahrer: 47% männlich, 53% weiblich (2016)
  • Zuwachs der Fahrradfahrer: Anstieg von 22% seit 2006 (Stand 2017)

Mehr Fahrräder als Autos – strategischer Ansatz der Stadt Kopenhagen

Egal ob für den Arbeitsweg, den Schulweg, die Strecke von Zuhause zur Universität oder für Ausflüge und Transporte jeglicher Art – das Rad gilt in der Fahrradhauptstadt inzwischen als Hauptverkehrsmittel. So wurden 2016 seit 1970 in der Innenstadt zum ersten Mal wieder mehr Autos als Fahrräder gezählt. Der wichtigste Grund, den Kopenhagener angeben, wenn man sie fragt, weshalb sie das Rad dem Auto vorziehen, ist nicht etwa Gesundheitsförderung, Umweltbewusstsein oder Geldersparnis – nein, sie fahren mit dem Rad, weil sie auf diese Weise schneller ans Ziel kommen.

Modal Split - Verkehrmittelwahl Kopenhagen 2016
Radverkehrsanteil 2016: 29% aller Wege wurden mit dem Fahrrad zurückgelegt. Bis 2025 soll bei der Verkehrsmittelwahl das Auto als Transportmittel nur noch einen Anteil von 25% ausmachen. – Diamant-Blog

 

Im Gegensatz zu den meisten anderen Großstädten, hat man in Kopenhagen bereits seit den 1970er eine verkehrspolitische Wende zugunsten des Fahrrads begonnen. Seither steuert die dänische Hauptstadt konsequent zurück zur fahrradfreundlichen Stadt mit einer einhergehenden Reduktion des Autoverkehrs und entsprechenden finanziellen Mitteln. Beispiele hierfür sind:

  • Jährliche Reduzierung des Parkraums für Autos um drei Prozent, um Raumressourcen für den Radverkehr zu gewinnen.
  • Hohen Parkgebühren, die allerdings nicht nur in Kopenhagen, sondern in ganz Dänemark zu entrichten sind.

Fast wichtiger als die finanziellen Investitionen aber war, dass den Radlern eine politische Anerkennung entgegengebracht wurde. Diese Wertschätzung hat sich durchaus motivierend auf die Radfahrer ausgewirkt und noch mehr Menschen dazu angespornt, sich auf den Sattel zu schwingen.

Fahrradpolitik: Wie und wann wurde Kopenhagen zur Fahrradstadt?

Hinter Kopenhagens Fahrradfreundlichkeit steckt eine konsequente Verkehrspolitik und Stadtplanung. Seit 2006 wurde eine Reihe bedeutender Entscheidungen in Bezug auf das Radfahren in der Stadt getroffen.

Miljømetropolen und Metropol for Mennesker – Dokumente für eine verkehrspolitische Wende

Die Entwicklung Kopenhagens zur fahrradfreundlichsten Stadt lässt sich auf die EU Klimakonferenz COP 15, die 2009 in der dänischen Hauptstadt stattfand, zurückführen. Dies nahm die Stadt im Vorfeld zum Anlass, neue Leitbilder für ihre Nachhaltigkeitspolitik zu formulieren. Klaus Bondam, früherer Bürgermeister für Technik und Umwelt und jetziger Direktor der dänischen Radfahrer-Föderation, hat diese verkehrspolitische Wende 2006 eingeleitet.

2007 und 2008 verabschiedete die Stadtverwaltung einstimmig die zentralen Dokumente Miljømetropolen (dt. „Die Umweltmetropole“) und Metropol for Mennesker (dt. „Metropole für Menschen“).

  • Miljømetropolen hat unter anderem eine erhebliche Reduktion des CO2-Ausstoßes, eine deutliche Senkung von Luftverschmutzung und Lärmbelästigung sowie das Vorhaben, die fahrradfreundlichste Stadt der Welt zu werden zum Ziel.
  • Metropol for Mennesker umfasst Pläne, den städtischen Raum lebenswerter zu gestalten.

Beiden Dokumenten gemein ist, dass ihre Ziele durch eine Reduktion des Autoverkehrs mit einer gleichzeitigen Förderung des Fahrrads zu erreichen sind. Das Besondere dieser beiden Strategien war und ist es, dass sie von sämtlichen Parteien getragen werden. Alle diejenigen, die an der Stadtentwicklung beteiligt sind, stimmen darin überein, wenn es um die Punkte Nachhaltigkeit, lebendiges Stadtleben, Radfahrersicherheit und menschlichen städtischen Raum geht.

Bicycle Account – Statistiken über das Fahrradfahren in Kopenhagen

Alle zwei Jahre veröffentlicht die Stadt den sogenannten Bicycle Acccount. Erhoben werden darin objektive Daten wie:

  • den städtischen Finanzmitteln, die für Radverkehrs-Infrastruktur ausgegeben werden
  • der Länge des Radwegenetzes
  • der Verkehrsmittelwahl
  • der Anzahl von Fahrradfahrern
  • Unfalldaten

Außerdem werden Befragungen regelmäßiger Radfahrer zu folgenden Punkten mit einbezogen:

  • zur Infrastruktur
  • zur Unterhaltung des Radwegnetzes
  • zum gefühlten Grad der Sicherheit

Dieser Fahrradbericht dient dazu, festzustellen, welche Schwachstellen die Infrastruktur noch hat und diese auszumerzen. Zum Beispiel heißt es im Bicyle Account 2017, dass sich das potenzielle Risiko für schwere Fahrrad-Unfälle seit 2006 um 23% reduziert und das Sicherheitsgefühl der Kopenhagener Radfahrer um 43% erhöht hat.

Fahrradstation mit Luftpumpe - Diamantrad-Blog
Radschnellwege in und um Kopenhagen sind oft mit Fahrradstationen ausgestattet – ideal, wenn das Rad (fast) platte Reifen hat. (c) Cycle Superhighways, Capital Region of Denmark

Good, Better, Best – The City of Copenhagen’s Bicycle Strategy 2011–2025

Am 1. Dezember 2011 verabschiedete der Stadtrat nahezu geschlossen die neue Fahrradstrategie Good, Better, Best – The City of Copenhagen’s Bicycle Strategy 2011–2025, die als Zielsetzung hat, Kopenhagen zur besten Fahrradstadt der Welt zu machen. Um dies zu erreichen, hat die Stadt entschlossen, sich auf vier Kernthemen zu konzentrieren:

  • Stadtleben
  • Komfort
  • Geschwindigkeit
  • Sicherheit

Ein weiteres Hauptziel der Fahrradstrategie besteht darin, den Radverkehrsanteil an den Pendlerwegen auf über 50 % zu steigern.

Pendler mit Fahrrad auf Brücke - Diamantrad-Blog

Hinweis von Diamantrad:
Auch deutsche Städte haben die Notwendigkeit von Radschnellverbindungen erkannt und wollen das Fahrrad als alternatives Verkehrsmittel für Pendler in den Fokus rücken. Was die Merkmale sind und welche Radschnellwege in Deutschland aktuell geplant sind, erfährst Du im Diamant-Blog.

Die Stadt benutzt die Bicycle Accounts, um Schlüsselprobleme festzustellen und damit einhergehend Planungen für unterschiedliche Maßnahmen abzuleiten, um die Ziele der Fahrradstrategie zu erreichen. Dies beinhaltet:

  • Radwege auf drei Fahrstreifen zu erweitern
  • Reisezeiten zu verringern, indem vermehrt Grüne Wellen auf die Geschwindigkeiten der Radfahrer ausgelegt werden
  • zusätzliche Brücken nur für Fußgänger und Radler über stark befahrene Straßen, den Hafen und Kanäle zu bauen
  • Sicherheit zu erhöhen (durch Umbau einer Reihe von Knotenpunkten mit hoher Zahl von Unfällen / Umgestalten von Schulwegen / Maßnahmen zur Geschwindigkeitsreduzierung im Autoverkehr)
  • chaotische Bedingungen zum Fahrradparken durch mehr Fahrradparkplätze zu verbessern (besonders in und um Bahnhaltestellen)

Investitionen: Wieviel Geld gibt Kopenhagen für seine Fahrradinfrastruktur aus?

Innerhalb der vergangenen zehn Jahre hat Kopenhagen 50 Millionen Euro in die Fahrradinfrastruktur investiert. In erster Linie wurden neue Wege gebaut, so dass sich Radfahrer wohlfühlen und schnell am gewünschten Ort sind. Die finanziellen Investitionen rentieren sich aber langfristig und bringen neben den vielen anderen positiven Aspekten auch einen ökonomischen Nutzen mit sich.

So ermittelte das dänische Verkehrsministerium 2014, dass sich langfristig 230 Millionen Euro sparen lassen. Dies setzt sich anhand folgender Faktoren zusammen:

  • Straßenbau ist insgesamt teurer als Investitionen in die Radinfrastruktur.
  • Fahrradfahrer werden zudem seltener krank und produzieren keine Kosten im Gesundheitssystem.
  • Fahrräder verursachen im Gegensatz zum Auto keine Umweltverschmutzung, die später mit hohen Kosten bekämpft werden muss.

Kopenhagens Fahrradinfrastruktur

Für den Fahrradverkehr wird eine Infrastruktur benötigt, die eine reibungslose Abwicklung des Radverkehrs zwischen Ausgangspunkt und Ziel ermöglicht. Im Verkehrsalltag teilen sich Radfahrer hier das vorhandene Straßennetz mit anderen Teilnehmern und genau hier liegt das größte Problem der Verkehrsplanung: Niemand darf durch den/die anderen behindert werden.

Weiterhin ist der Fahrradverkehr im Alltag wegen der Fortbewegung aus eigener Kraft auf möglichst kurze Wege mit möglichst geringen Höhenunterschieden und glatten, leicht zu befahrenden Straßenoberflächen angewiesen. Infrastrukturmaßnahmen müssen entsprechend kontinuierlich angepasst und weiterentwickelt werden.

Bicycle Snake Kopenhagen
Die „Bicycle Snake“ ist eine Brücke durch den Kopenhagener Hafen und nur für Radfahrer zugelassen. Nachts leuchtet der orangefarbene Boden. (c) Cycling Embassy of Denmark, DISSING+WEITLING

Fahrradwege in Dänemarks Hauptstadt

Die Radwege in Kopenhagen sind durch sieben bis neun Zentimeter hohe Bordsteine von der Fahrbahn und durch fünf bis neun Zentimeter hohe Borde vom Gehweg abgegrenzt. Auf diese Weise sind die Radfahrer physisch vom restlichen Verkehr getrennt und werden nicht verleitet, andere Spuren als die komfortablen, breiten, geteerten Radwege zu nutzen. So haben beispielsweise Eltern genügend Platz, um ihre Kinder in Lastenrädern zu transportieren. Folgende Aspekte spielen bei der Radwegplanung der dänischen Hauptstadt eine Rolle:

  • Entsprechend der Richtlinien muss ein Radweg in Dänemark mindestens 1,70m breit sein, in der Praxis sind die meisten Radwege aber 2,20m breit, angestrebt werden 2,50m. Sehr stark genutzte Wege können 3 bis 4m breit sein.
  • In Fahrradhauptstadt sind Fahrradwege in aller Regel als Einrichtungsradweg angelegt – das heißt, es gibt Fahrradspuren für jede Fahrtrichtung auf der jeweiligen Seite der Fahrbahn.
  • Fahrradweg-Beauftragte kümmern sich um die Instandhaltung der Radfahrstreifen, so dass Unebenheiten und Löcher schnell beseitigt werden. Darüber hinaus haben Fahrradspuren gegenüber der Autofahrbahnen Priorität bei der Schneeräumung.
  • In Zusammenarbeit mit den umliegenden Kommunen Kopenhagens läuft derzeit ein ambitioniertes Projekt: Bereits existierende lokale Radwege sollen zu einem insgesamt 400 Kilometer umfassenden Netz von Superradschnellwegen („cykelsuperstiers“ auf Dänisch) rund um die Innenstadt werden.
  • Darüber hinaus plant die Stadt Kopenhagen 22 grüne Radrouten durch die Stadt, deren Gesamtlänge 100 Kilometer beträgt.

Bike-Share-Programme in Kopenhagen

In Kopenhagen wurde bereits 1995 in Fahrradverleihsystem eingeführt. Mit dem System, das ähnlich wie bei Supermarkt-Einkaufswagen über den Einwurf einer Münze als Pfand organisiert war, gab es einige Probleme. So waren insbesondere oft keine Räder am Stand verfügbar. Das alte System war in der Nutzung vorrangig auf Touristen und Gelegenheits-Radfahrer ausgerichtet, stellte für regelmäßige Pendler keine zuverlässige Alternative dar. Aufgrund der Probleme nahm die Stadtverwaltung der dänischen Metropole dieses Bike-Share-Programm Ende 2012 außer Betrieb.

2011 startete Kopenhagen den Ausschreibungsprozess für ein neues Fahrradverleihsystem mit folgenden Anforderungen:

  • Die Räder müssen zuverlässig und komfortabel sein, was eine E-Bike Funktion mit impliziert.
  • Mit neuen Technologien wie Smartphone-Apps soll es leicht sein, freie Räder zu lokalisieren, sich die kürzeste Route anzeigen zu lassen und außerdem über das Wetter und Veranstaltungen informiert zu werden.

Im Oktober 2013 wurde das neue System namens Bycyklen schließlich eingeführt. Dieses betrachtet als Zielgruppe vorrangig bisherige Auto-Pendler. Sie sollen künftig mit der Bahn in die Stadt kommen und das Rad für die letzten Meilen bis zum Ziel nutzen, so dass das E-Bike als Ausweitung des Angebots des öffentlichen Verkehrs wirkt.

Aufgrund der hohen Anschaffungskosten und den fehlenden Erfahrungswerten mit den technischen Neuerungen sorgte das Leihradsystem für äußerst kontroverse Diskussionen in der dänischen Hauptstadt.  Nichtsdestotrotz erfreuen sich die E-Bikes auch großer Beliebtheit.

Langfristiges Ziel von Bycyklen: Im Jahr 2025 sollen die Leihräder – gemeinsam mit Bussen, Zügen und U-Bahnen – fester Bestandteil des öffentlichen Verkehrssystems in der Hauptstadtregion sein. Die Kombination der Verkehrsmittel soll den motorisierten Individualverkehr weitestgehend ablösen.

Das Fahrrad als wichtiges Planungselement für eine lebenswerte Stadt

Das Fahrrad ist ein flexibles und platzsparendes Verkehrsmittel, das maßgeblich zur Lebensqualität, besonders in dichtbesiedelten Bereichen, beiträgt. Je mehr Menschen Rad fahren, desto mehr Platz im urbanen Raum. Die Vision für die Fahrradstadt Kopenhagen des Jahres 2025 beinhaltet mehr Straßen, die für die Bedürfnisse von Fußgängern und Radfahrern ausgerichtet sind. Es wird mehr Platz für Erholung innerhalb der Stadt geben sowie mehr Möglichkeiten, auf dem Fahrrad die Stadt spontan und direkt zu erfahren.

Der dänische Architekt und Stadtplaner Jan Gehl befasst sich seit mehr als 40 Jahren damit, Plätze, Straßen, ja ganze Stadtviertel zum Wohle der Bewohner neu- bzw. umzugestalten. Er stützt sich dabei auf Erkenntnisse, die er durch langjährige Untersuchungen von Großstadtsituationen in verschiedenen Ländern gewonnen hat. Grundsatz von Jan Gehls Stadtplanung besteht darin, sowohl traditionelle Metropolen als auch schnell wachsende Städte von Entwicklungs- und Schwellenländern zu Städten für Menschen zu machen. Das heißt, dass die ganze Stadt so organisiert werden soll, dass sich die Menschen in ihr zweckmäßiger, komfortabler und sicherer bewegen können.

Jan Gehl spricht von humanistischer Stadtplanung im Allgemeinen, wobei das Rad als ein menschenfreundliches Fortbewegungsmittel eingeschlossen ist. Seiner Meinung nach ist Radfahren ein sehr guter Weg, um das Ziel von einer lebendigen, lebenswerten, nachhaltigen Stadt, die Menschen zu einem gesunden Lebensstil einlädt, zu erreichen. Dabei bezieht er unter anderem folgende Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation im Kontext ihrer globalen Vorsorgestrategie mit ein: „Planen Sie Städte so, dass die Menschen sich so viel wie möglich bewegen. Sie sollen zu Fuß gehen und mit dem Fahrrad fahren, nicht sitzen.“ Da die Stadtplanung 50 Jahre lang so vorgegangen ist, die Menschen dazu einzuladen so viel wie möglich zu sitzen – mit Drive-in-Banken, Drive-in-Restaurants und Ähnlichem, musste laut Gehl jedoch erst ein gravierender Wandel stattfinden.

Ein weiterer relevanter Punkt hinsichtlich seiner Überlegungen zur Stadtplanung besteht darin, eine Stadt zu schaffen, die gut ist für gesellschaftliche Inklusion und Demokratie. Auch hier ist das Fahrrad eine wunderbare Möglichkeit, um die Atmosphäre in einer Stadt zu verändern und sie lebenswerter zu machen. Denn Radfahrer kommunizieren miteinander, während Autofahrer durch das sie umgebende Blech voneinander abgeschottet sind. Jan Gehl zufolge zeigt das Beispiel Kopenhagen, dass eine starke Fahrradkultur gut ist für eine lebendige, lebenswerte und sichere Stadt.

Fahrradstadt-Fakten Kopenhagen

Wusstest Du schon, dass…

  • es in Kopenhagen keine Helmpflicht gibt?
  • über 60 % der dänischen Abgeordneten mit dem Rad in das Kopenhagener Parlament fahren?
  • 25 % aller Kopenhagener Familien mit zwei Kindern ein Lastenfahrrad für den Einkauf oder Kindergarten-Transport besitzen?

Welche Ausstattung hält die Stadt Kopenhagen für seine Radler bereit?

  • Auf vielen zentralen Strecken sind grüne Wellen geschaltet, so dass ein Radfahrer bei einer konstanten Geschwindigkeit von 20 Stundenkilometern über sämtliche Ampeln kommt, ohne einmal anhalten zu müssen.
  • Falls dies einmal nicht gelingt, gibt es Geländer und Fußstützen. Fahrradfahrer können also bequem auf dem Sattel sitzen bleiben und bei grün sofort wieder los radeln.
  • Kleine, leicht zur Radspur hingeneigte Mülleimer in der richtigen Höhe entlang der Radwege sind eine – zwar nicht notwendige, aber durchaus praktische – Nettigkeit, die sich die Stadt Kopenhagen für die Radler überlegt hat.
  • Und auch wenn zwischendurch einmal die Luft aus einem Reifen weicht, ist dies in der dänischen Hauptstadt kein Problem. Denn im gesamten Stadtgebiet gibt es Pumpstationen, so dass die Fahrt schnell fortgesetzt werden kann.
  • Auch das Thema Fahrradstellplätze hat Kopenhagen geschickt gelöst. So wurde an der Nørreport Station das Bodenniveau der Rad-Stellplätze als „Fahrradbetten“ um 40 Zentimeter abgesenkt. Auf diese Weise erhalten die Fahrräder ihren vorgesehenen Platz, ohne störend ins Auge zu fallen. Jeder der 2.500 Radstellplätze ist mit LED-Lampen beleuchtet. Abends sorgen diese für ein schimmerndes Lichtermeer, das einerseits die Fahrradkultur der Stadt herausstellt und anderseits das Auffinden des eigenen Fahrrads erleichtert.
Fußstütze für Radfahrer in Kopenhagen - Diamantrad-Blog
Fußstützen auf Radspuren machen das Warten an Ampeln für Fahrradfahrer komfortabler. (c) Cycle Superhighways, Capital Region of Denmark

Radfahren in Kopenhagen: eine Stadt tritt gemeinsam in die Pedale

Der dänischen Hauptstadt ist es gelungen, Design, Ästhetik und Radverkehrsinfrastruktur zu vereinen. Führende Architekten und Künstler haben eine Reihe von Fahrradbrücken wie die berühmte Cykelslangen oder die Cirkelbroen entworfen. Diese attraktivere Gestaltung der Rahmenbedingungen vermittelt den Radfahrern das Gefühl, dass ihre Bedürfnisse ernst genommen werden. In Kopenhagen herrscht eine Art kollektiver Stolz darauf, Fahrradfahrer zu sein.

Fahrradkultur in der Radlhauptstadt

Kopenhagens Stadtbild ist primär von Menschen geprägt, nicht von Kraftfahrzeugen geprägt. Dies vor allem durch den Umstand, dass das Rad als Transportmittel für kurze Wege etabliert ist. Die Wahl des Verkehrsmittels Fahrrad ist in der dänischen Hauptstadt selbstverständlich und unabhängig von Alter, Einkommen oder Geschlecht.

Im Gegensatz zu vielen deutschen Großstädten sieht man hier zur Berufsverkehrszeit nicht nur hauptsächlich junge Männer mit Warnwesten auf dem Rad, sondern auch Frauen im Blazer oder in High-Heels auf dem Weg zur Arbeit, Jugendliche, Eltern mit kleinen Kindern im Anhänger, feine Herren im Anzug, junge Hippster, Touristen, Kinder auf dem Weg zur Schule, Senioren und viele andere – sogar die Königsfamilie bringt ihre Kinder mit dem Rad zur Schule. Die Kopenhagener Fahrradkultur wird von der ganzen Gesellschaft getragen.

Experten sind davon überzeugt, dass die Radkultur die Atmosphäre einer Stadt verändert und sie lebenswerter macht. Radfahrer kommunizieren miteinander, während Autofahrer voneinander abgeschottet sind Das Stadtleben wird entschleunigt, die Menschen tauschen sich wieder mehr aus und nehmen die Stadt mit allen Sinnen wahr. 2010 fanden bereits 67 Prozent aller Kopenhagener – also auch viele Autofahrer –, dass die Radkultur die Stadtatmosphäre verbessert hat.

Kopenhagen ist sehr daran gelegen, den Stadtraum den Autos Stück für Stück abzuringen. So gibt es beispielsweise immer weniger Parkplätze mit gleichzeitig immer höheren Gebühren. Der damit einhergehende Rückgang der Autos ermöglicht die Entstehung mancher ganz autofreien Straßen und Plätzen.

10 goldene Regeln fürs sichere Radeln im Kopenhagener Stadtverkehr

  1. Immer gelassen bleiben.
  2. Vor dem Überholen anderer Radfahrer immer nach hinten schauen.
  3. Auf dem Radweg möglichst weit rechts fahren, damit andere überholen können.
  4. Immer ein Auge auf den Verkehr haben, und lass‘ das Handy in der Tasche.
  5. Zeig‘ immer an, was Du vorhast. Handzeichen geben, wenn Du abbiegen oder anhalten möchtest.
  6. Stell Dich nicht vor andere Radfahrer, die bereits an einer Ampel bei Rot warten.
  7. Beharre nicht auf Deinem Recht – dies kann lebensgefährlich sein.
  8. Nach dem Anhalten bitte auf dem Bürgersteig warten.
  9. Fahr am besten nicht mit einer großen Kapuze oder/und lauter Musik über Kopfhörer Rad.
  10. Mit angepasster Geschwindigkeit fahren.

Lastenräder und Logistik in der dänischen Hauptstadt

Viele Leute haben kein Auto oder sie haben zwar eins, benutzen es aber nur etwa für weite Strecken. Stattdessen besitzt eine große Zahl der Kopenhagener Familien ein Lastenrad. Darin finden sowohl der Großeinkauf als auch die Kinder Platz. Diese Gefährte spielen eine große Rolle im hiesigen Verkehrssystem. Durch die breiten Radwege können diese problemlos genutzt werden. Um Lastenräder noch verstärkter ins Logistiksystem der Stadt zu involvieren, soll es künftig mehr Fahrradparkplätze für Lastenräder geben. Bis 2025 soll der Ausbau abgeschlossen sein.

  • Annähernd sämtliche Auslieferungen der dänischen Post in Kopenhagen werden durch Briefträger auf Lastenrädern ausgetragen. Das Unternehmen hat elektrisch unterstützte Lastenräder eingeführt, die 2012 den Preis als Innovation des Jahres auf der jährlichen Post-Ausstellung gewonnen haben.
  • Auch bei anderen Dienstleistungen werden Fahrräder genutzt. So sind kommunale Pflegekräfte zu Hausbesuchen mit dem Rad unterwegs und auch die Straßenreinigung erfolgt mit speziell ausgerüsteten Lastenrädern.
  • Seit 2009 gibt es in Kopenhagen Polizisten, die ihre Streifenfahrten auf dem Rad abhalten. Neben einer schnellen und effizienten Art der Fortbewegung wird so die Sichtbarkeit und der Kontakt zu den Bürgern verbessert.
  • Verschiedene Unternehmen betreiben Fahrrad-Rikschas und Fahrrad-Taxis, vornehmlich mit Touristen als Zielgruppe. Die Stadtverwaltung strebt die Organisation von 26 festgelegten Taxiständen in der inneren Stadt an sowie die Vergabe von Lizenzen.
  • Darüber hinaus verkaufen zahlreiche Unternehmer von entsprechend umgebauten Lastenfahrrädern Waren wie Kaffee oder Sushi. Wie bei den Fahrrad-Taxis besteht inzwischen in einigen Teilen der Stadt die Notwendigkeit, regulierend einzugreifen, da Fußgänger behindert werden.
Mit dem Rad zur Arbeit - Diamantrad-Blog
Das Fahrradfahren gehört in Kopenhagen auch für Berufstätige zum Alltag. Lastenräder ersetzen das Auto als Transportmittel. (c) Cycling Embassy of Denmark

Fahrradmitnahme in Kopenhagens öffentlichen Verkehrsmitteln

Ein großer Erfolg war die 2010 eingeführte Regelung, das Fahrrad kostenlos in der S-Bahn mitnehmen zu können. Zuvor musste ein extra Fahrradticket gekauft werden. Die Anzahl der Fahrgäste stieg seit der Neuerung um gut 10 Prozent. Darauf aufbauend, hat die DSB weitere Fahrradprojekte gestartet, wie die Eröffnung von Fahrradläden an Bahnhöfen, wo Kunden ihre Räder morgens zur Reparatur abgeben und abends wieder abholen können. Weiterhin wurden Rampen an allen Treppen und Fahrradabstellmöglichkeiten an Bahnhöfen eingerichtet. Weiterhin wurden in den Zügen eigene Fahrradabteile in der Mitte des Zuges, zusätzlich zu den Mehrzweckabteilen an den beiden Enden der Züge, wo auch Kinderwagen und Rollstühle mitgenommen werden, eingerichtet. Dadurch wurde die Kapazität von 22 auf 46 Räder pro Zug gesteigert. Während der Hauptverkehrszeit, die von Montag bis Freitag von 07:00 bis 08:30 Uhr und von 15:30 bis 17:00 Uhr stattfindet, ist es allerdings nicht erlaubt, mit dem Rad an der Station Nørreport ein – oder auszusteigen.

In der U-Bahn ist es außerhalb der Hauptverkehrszeiten (Montag bis Freitag von 07:00 bis 09:00 Uhr und von 15:30 bis 17:30 Uhr) erlaubt, das Fahrrad zu transportieren, wenn für DKK13 ein Fahrradticket gekauft wird.

Neben der Fahrradmitnahme in der Bahn ist diese auch in Bussen erlaubt. Jedoch passen in einen Bus nur zwei Fahrräder und man muss auch mit Kinderwagen und Hauptverkehrszeiten rechnen, so dass der Busfahrer ein Veto gegen die Mitnahme des Rads aussprechen kann. Hier wird das gleiche Fahrradticket wie für die Fahrradmitnahme in der U-Bahn benötigt.

Sogar Taxen sind dazu verpflichtet, ein Rad beispielsweise mit einem Heckträger gegen einen geringen Aufpreis zu transportieren. Und auch die Wasserbusse ermöglichen die Fahrradmitnahme.

Wie sicher ist das Radfahren in Kopenhagen?

Wichtige Voraussetzung für die Wahl des Verkehrsmittels Fahrrad ist, dass die Einwohner das Gefühl der Sicherheit haben. In einer Stadt, in der das Radfahren als sicher angesehen wird, steigen auch mehr Anfänger, Kinder und ältere Menschen aufs Rad. Eines der Ziele bis 2025 besteht deshalb darin, dass 90 Prozent der Radfahrer das Gefühl haben, im Verkehr sicher unterwegs zu sein.

Um das Sicherheitsempfinden zu steigern wurden verschiedene Maßnahmen getroffen:

  • Grüne Radrouten
  • Umbau von Knotenpunkten (inklusive der Fortführung von Radwegmarkierungen über die Kreuzungen und Einführung aufgeblasener Radfahreraufstellflächen vor dem Kfz-Verkehr)
  • Ausweitung von Radverkehrsanlagen an Engstellen
  • Neue Radwege und Radstreifen (30 – 40 km)
  • Generelle Verbreiterung von Radwegen (10 – 30 km)
  • Aufbringung von zusätzlichen Radstreifenmarkierungen zur Verbreiterung auf stark frequentierten Streckenabschnitten
  • Fahrrad- und Busstraßen
  • Rücksichts- und Verhaltens-Kampagnen
  • Sichere Schulwege
  • Verkehrsunterricht an verschiedenen Schulen in Kopenhagen

Fahrradstadt Kopenhagen – ein Fazit

Wie man sehen kann, führt Kopenhagen zu Recht das Ranking des Copenhagenize Index der 20 fahrradfreundlichsten Städte weltweit an. Doch irgendwann wird selbst das Gute zu viel. Die Radler Kopenhagens müssen das Rücksichtnehmen noch erlernen. Dieser Entwicklung begegnet die Stadt mit verschiedenen Sanktionen. So kostet das Fahren auf dem Bürgersteig oder über eine rote Ampel nun 700 bis 1000 Kronen Strafe (umgerechnet 94 bis 134 Euro). Fahrräder, die im Parkverbot stehen, werden manchmal sogar gebührenpflichtig abgeschleppt. Die Stadt hat mehr Menschen dazu gebracht, mit dem Fahrrad zu fahren als mit jedem anderen Verkehrsmittel und hat nun mit ganz neuen Problemen und Herausforderungen umzugehen.

Kopenhagen im Copenhagnize Index 2011-2016
Kopenhagens Entwicklung im Copenhagenize Index von 2011 bis 2017. – Diamant-Blog

 

Beispielweise gibt es für die große Anzahl an Radfahrern zu wenig Stellplätze, so dass nur 3 von 10 Menschen mit den Abstellmöglichkeiten zufrieden sind. In der Tat gibt es einen großen Mangel an freien Stellplätzen. Dieser zeigt sich speziell um Bahnhöfe und Einkaufszentren, wo Fahrräder auch oftmals vor Notausgängen abgestellt werden. Diese werden von der Stadt konsequent weggeräumt. Einige Projekte haben sich inzwischen mit dem Mangel an Abstellmöglichkeiten beschäftigt. In neu angelegten U-Bahnhöfen wurden Abstellräume für Räder mit komfortablen Zufahrtsmöglichkeiten eingebaut. Weiterhin wurden, um die Situation in den Griff zu bekommen, im Zentrum Autostellplätze umgewandelt: Wo vorher ein Auto stand, haben dann zehn Fahrräder Platz.

Ein weiteres Problem sind Fahrradstaus. Aktuell radeln dermaßen viele Menschen durch Kopenhagen, dass sie sich gegenseitig im Weg sind. Zur Hauptverkehrszeit schieben sie sich oft Reifen an Reifen durch die Innenstadt. Wenn dabei einer zu langsam fährt und ein anderer unüberlegt ausschert, dann staut es sich. An manchen Kreuzungen stehen die Radfahrer Schlange, nur um über die Ampel zu kommen. Da dauert es mehrere Grünphasen, bis es weitergeht.

Natürlich sind Fahrradstaus Gift für das Kopenhagener Konzept. Denn die Menschen dort steigen vor allem aufs Rad, weil sie so schneller ankommen. Die Stadt will nun intelligente Tafeln aufstellen, um Staus zu vermeiden. Rote und grüne Pfeile zeigen an, ob der Weg frei ist oder der Radfahrer auf die Nebenstraßen ausweichen sollte. Doch wirklich helfen würden nur noch mehr und noch breitere Radwege. Außerdem sollten die Ampelphasen häufiger an die Bedürfnisse der Radfahrer angepasst werden.

Kopenhagen ist es gelungen, dass die meisten Menschen dem Fahrrad gegenüber dem Auto den Vorzug geben. Im zweiten Schritt muss von allen Seiten erkannt werden, dass die Radfahrer nun in der Mehrheit sind, was entsprechende Maßnahmen mit sich zieht.

Weiterführende Informationen rund um die Fahrradstadt Kopenhagen