2019 gab es in Deutschland täglich ungefähr 239 Fahrradunfälle. Auf das Jahr gerechnet waren es also insgesamt 87.253 (gemeldete) „Unfälle mit Personenschaden und Fahrradbeteiligung“ – soweit die offizielle Verkehrsunfallstatistik des Statistischen Bundesamtes. Die Dunkelziffer dürfte noch wesentlich höher liegen, weil wir eben meist einfach aufstehen, weiterfahren und zu Hause unsere Schürfwunden behandeln.
Und natürlich lassen sich Unfälle nie zu 100% vermeiden. Dafür gibt es im Straßenverkehr zu viele externe Faktoren. Trotzdem wollen wir dich für den Ernstfall besser vorbereiten und erklären schnell und übersichtlich die wichtigsten Maßnahmen bei einem Fahrradunfall. Außerdem erinnern wir dich nochmal an einige hilfreiche Verhaltensweisen.
Inhaltsverzeichnis
Mehr Radfahrer, anteilig weniger Todesfälle
Radfahrer sind im Straßenverkehr leider besonders gefährdet: Im Jahr 2019 sind in Deutschland 445 Radfahrer bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Das ist der höchste Wert seit 2009. Dieser Anstieg um etwa 16,5% seitdem widerspricht zwar dem positiven Trend, dass es in Deutschland immer weniger Verkehrstote gibt. Dafür gibt es aber auch einen Grund: Die Anzahl der Radfahrten ist einfach ebenfalls enorm gestiegen, insbesondere in Städten. Von 2002 zu 2017 zum Beispiel wuchs der Radverkehr um 37% – das war vor Fridays for Future und vor der Corona-Krise. Pro gefahrenen Kilometer sind die Todesfälle also auch im Radverkehr rückläufig.
Gleichwohl verdeutlichen die Statistiken, dass auch Radfahrer durch eigenes Fehlverhalten Unfälle verursachen. Besonders häufig verstoßen Radler beim Abbiegen oder beim Gewähren von Vorfahrt/Vorrang gegen die Regeln. Ja, die Straßenverkehrsordnung hat ihre Schwächen und ist auf Autofahrer zugeschnitten (Stichwort Radwegebenutzungspflicht), aber öfter als wir denken beginnt die Unfallverhütung eben doch bei uns.
Kann man Fahrradunfälle vermeiden?
Wir haben einmal bei uns im Team gefragt, wer schon einen Unfall hatte. Alle sind mit ihrem Fahrrad schon mal hingefallen. Ein Unfall ist selten, zum Glück, aber es passiert. Nur bei einer Kollegin war auch ein Auto involviert. Und wie gesagt: Eine Unaufmerksamkeit von dir oder von einem anderen Verkehrsteilnehmer reicht schon aus, und es ist passiert.
Dennoch gibt es viele Maßnahmen, um das Risiko eines Fahrradunfalls zu minimieren. Dazu zählen etwa:
- Vorschriften und Regeln befolgen, sofern du dadurch nicht in Gefahr gerätst (z.B. nicht geräumter Radweg)
- Auf andere Verkehrsteilnehmer, Hindernisse usw. achten, auch einige Dutzend Meter voraus
- Sicherheitsbewusst und nicht aggressiv fahren: Finger am Bremshebel
- Manöver anzeigen, immer(!) beim Abbiegen und auch beim Anhalten, wenn jemand hinter dir fährt
- Andere Radfahrer hinter dir vor Gefahrenstellen vor dir warnen, z.B. bei Schlaglöchern oder Wurzelschäden am Radweg
- Schulterblick!
- Klingel rechtzeitig nutzen, wenn der Radweg blockiert ist, aber dann auch Geschwindigkeit reduzieren (und beim Passieren gerne danke sagen)
- Gut sichtbar sein – dein Rad sollte die notwendigen Reflektoren aufweisen und du selbst profitierst von auffälliger oder gar reflektierender Kleidung, die im Dunkeln/bei schlechten Witterungsverhältnissen sichtbar ist
- Für die eigene Sicherheit solltest du einen Helm tragen (siehe dazu auch unseren Fahrradhelm-Ratgeber)
Detaillierte Informationen dazu haben wir auch in unserem Blogbeitrag “Sicher mit dem Fahrrad unterwegs: Regeln & Hinweise” zusammengetragen.
Nochmal zu den Vorschriften: Natürlich können auch Radfahrer Bußgelder erhalten, auch wegen überhöhter Geschwindigkeit. Kommt es beispielsweise zum Unfall, weil die Fahrradbeleuchtung defekt war oder fehlte, gibt es eine Strafe von 35€. Selbst ein Punkt in Flensburg ist möglich, durch das Überfahren einer roten Ampel. Und wirklich: das ist kein Kavaliersdelikt. Besser ist an der Kreuzung nur die Ampel rot und nicht der Asphalt wegen deinem Blut. Die Ampel wird nämlich wieder grün und du kannst dann noch das rote Erdbeereis am Ende deiner Fahrradtour genießen.
Und was ist nun zu tun, wenn es doch zu einem Fahrradunfall kommt? Wir haben dir die drei wichtigsten Schritte zusammengefasst.

Schritt 1: Die Unfallstelle sichern, Verletzten helfen, Beweisfotos machen
Wie aus dem Nichts liegt plötzlich wer am Boden. Den Sturz hat keiner kommen sehen. Die erste Reaktion ist oft impulsiv. Man bremst hart, lässt das eigene Rad an Ort und Stelle liegen und eilt zur gestürzten Person. Und das ist falsch.
An erster Stelle steht nach einem Fahrradunfall die Sicherheit aller Beteiligten. Das Risiko ist jetzt besonders groß für dich und den nachfolgenden Verkehr. Deshalb gilt zur Risikominimierung in dieser Reihenfolge:
- Ruhe bewahren und nicht hektisch handeln.
- Sich selbst in Sicherheit bringen und Unfallstelle absichern, um Folgeunfälle zu vermeiden, am besten durch eine Person, die 100m vor der Unfallstelle den Verkehr warnt
- Verletzten helfen bzw. Erste Hilfe leisten. Bei leichten Stürzen den Verletzten vorsichtig in Sicherheit bringen, aber nicht bei schweren Stürzen mit unklaren Verletzungen. Generell gilt bei schweren Stürzen: zuerst den Notruf wählen, dann Erste Hilfe leisten. Im Idealfall führen mehrere Personen diese Aufgaben zeitgleich durch.
- Gibt es keine Verletzten, dann kannst du Beweisfotos anfertigen. Das ist auch für die Versicherung wichtig. Danach das Fahrrad und ggf. weitere involvierte Fahrzeuge von der Fahrbahn bewegen.
Hand aufs Herz: diese Richtlinien sind auch für Fahrradunfälle richtig. Allzu oft räumen wir einfach schnell die Straße frei, weil wir Angst vor Autos haben und auch keinen Stau auslösen wollen. Besser stoppen wir den Verkehr kurz und handeln planvoll. Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass wir uns manchmal auch ein schnell gemachtes Foto gewünscht hätten, an das bei Fahrradunfällen nie einer denkt.
Übrigens: Auch der Zeuge eines (Fahrrad-)Unfalls ist dazu verpflichtet, Erste Hilfe zu leisten und den Unfallort zu sichern.

Schritt 2: Deinen Unfall dokumentieren
Dieser Abschnitt spielt bei Fahrradunfällen meist eine geringere Rolle. Die Dokumentation wird dann wichtig, wenn dein versichertes Fahrrad beschädigt wurde oder mehr als eine Partei am Sturz beteiligt war. Zum Beispiel bist du mit einem Auto zusammengestoßen oder über einen Radfahrer gefallen, der direkt vor dir selbst gestürzt war. Bei kleinen Unfällen ohne große Folgen wird das oft übergangen. Wir können das nachvollziehen und es ist schwer, die Schwelle zu definieren, an der du das nicht mehr übergehen solltest. Spätestens, wenn ein Arztbesuch nötig wird, ist das aus unserer Sicht der Fall. Auch Unfälle, bei denen motorisierte Fahrzeuge beteiligt sind, solltest du immer dokumentieren.
Nach der unmittelbaren Sicherung und der Versorgung etwaiger Verletzten geht es an die (detailliertere) Dokumentation des Fahrradunfalls. Viele Fahrzeughalter haben einen vorgefertigten Unfallbericht (“Europäische Unfallbericht”) mit dabei, der auch für Radfahrer sinnvoll ist. An deinem Rad fehlt dir ein Handschuhfach, aber eine Online-Version findest du unten bei den weiterführenden Links. Tipp: weil Stürze gerne auch im Funkloch passieren, lade ihn dir doch einfach aufs Telefon.
Der Unfallbericht ist kein Schuldeingeständnis, sondern dient dazu, den Unfallhergang möglichst detailliert wiederzugeben. Es geht um Fakten. Du füllst ihn gemeinsam mit dem Unfallgegner aus und dann unterschreibt ihr beide die Schilderung.
Fotos sind Teil der Dokumentation. Fertige dafür Fotos an, von der Unfallstelle und auch von entstandenen Schäden an den beteiligten Fahrzeugen (also auch den Rädern). Notiere dir ggf. das Kfz-Kennzeichen und definitiv die Personalien (Name und Anschrift) der Unfallbeteiligten. Wichtig: Versicherungsdaten nicht vergessen. Lass dir auch die Anschrift/Kontaktdaten von etwaigen Zeugen geben.
Schritt 3: Versicherung informieren
Meist bist du jetzt schon zuhause, aber das gehört auch noch dazu: Die Unfallbeteiligten sollten jetzt ihre Versicherungen informieren. Das sind:
- für den Radfahrer die Haftpflichtversicherung (spätestens dann informieren, falls der Unfallgegner Ansprüche erhebt)
- bei einem Wegeunfall die gesetzliche Unfallversicherung
- bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug die Kfz-Haftpflichtversicherung – dort machen Fahrradfahrer auch ihre Ansprüche geltend
Hast du vergessen, den Unfallgegner nach seiner Kfz-Haftpflichtversicherung zu fragen? Beim Zentralruf der Autoversicherer erhältst du diese Angabe kostenlos. Den Link dazu findest du weiter unten.
Soll ich die Polizei einschalten?
Wenn das Verschulden klar und die Schäden nur geringfügig sind, musst du die Polizei nicht zwangsläufig zum Fahrradunfall holen. In diesem Fall reicht dann womöglich, den Unfallbericht auszufüllen. Anders verhält es sich bei einem unklaren Unfallhergang, einer ungeklärten Schuldfrage oder einem Personenschaden: Informiere in diesen Fällen die Polizei.
Fazit: Fahrradunfall – und jetzt?
Unfallstelle sichern, Erste Hilfe leisten, Dokumentieren, Versicherung informieren: Die Maßnahmen nach einem Fahrradunfall sind eigentlich die gleichen wie bei einem Autounfall. Die Polizei musst du nicht zwangsläufig einschalten. Ausnahme: der Unfallhergang ist unklar, es gibt einen Personenschaden oder es handelt sich nicht um einen Bagatellschaden.
Weiterführende Informationen über Fahrradunfälle und was zu tun ist
- Europäische Unfallbericht als PDF zum Download vom ADAC (deutsch + englisch)
- Zentralruf der Autoversicherer
- Der ADFC informiert: Fahrradunfall – was tun?
- Informationen vom ADAC zum Thema
- VGH Versicherungen informiert über versicherungstechnische Fragen rund um Radunfälle
- Kraftrad- und Fahrradunfälle im Straßenverkehr 2019 – PDF-Datei vom Statistischen Bundesamt
- Aufbereitete Statistiken rund um Fahrradunfälle im Rahmen der “Runter vom Gas”-Kampagne des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur
- Bußgeldtabelle rund um den Fahrradunfall von bussgeldkatalog.net