Diamantrad geschichte historisches werk

Diamant

Die Kurzgeschichte unserer Geschichte

140 Jahre Geschichte sind eine beeindruckende Zeit. Auf dem Rücken von Erfindergeist und Mut war Diamant früh erfolgreich. Die Geschichte von Diamant ist aber auch gut gefüllt mit glücklichen Zufällen und Episoden von Scheitern und Wiederaufstehen. Es ist die Geschichte unserer sächsischen Heimatstadt Chemnitz, aber auch der ganzen ostdeutschen Industrie, die sich in unserer eigenen widerspiegelt.

Dieser Text ist ein wenig lang. Aber es lohnt sich. Die absolut kurze Zusammenfassung:

  • 1885 in Chemnitz-Reichenbrand gegründet, erst Teile für Strickmaschinen gebaut, ab 1895 Fahrräder in Serie
  • Viele Erfolge im Radrennsport in den 1920ern und 1950ern, erster deutscher Weltmeister
  • Die beliebte und gesuchte unter den nur zwei Fahrradmarken in der DDR
  • Nach der Wende von Villiger vor der Pleite gerettet, Umzug nach Hartmannsdorf
  • Seit 2004 Teil von Trek, alle Räder immer noch von Diamant selbst montiert
Diamant koepfchen ahnengalerie

1885 – 1912: Die frühen Jahre – Von Strickmaschinen zu Fahrrädern

Mit einem Misserfolg geht es eigentlich auch los. 1885 verliert Friedrich Nevoigt seine Arbeit in einer Strumpfmaschinenfabrik. In der Not stellt er nun selbst Platinen für Strickmaschinen her – so erfolgreich, dass sein Bruder Wilhelm ins Unternehmen einsteigt. Die erste Absatzflaute motiviert sie dazu, neu auch Schreibfedern aus Diamant-Stahl in ihr Programm aufzunehmen. Als Mitte der 1890er das «Veloziped» zum Kassenschlager wird, erkennen sie: Ihr Stahl eignet sich auch bestens für Fahrradrahmen.

Wilhelm und Friedrich sind Tüftler und Diamant-Fahrräder daher von Beginn an bis ins Detail durchdacht. Deutsche Ingenieurskunst eben. 1898 machen sie mit zwei Innovationen von sich reden.

  • Mit einer kerzenbetriebenen Fahrradlampe bringen sie Licht ins Dunkel.
  • Als erste führen sie die bis heute von allen Fahrradherstellern genutzte Doppelrollenkette in Deutschland.

Die Arbeit zahlt sich aus, denn die Diamant-Zweiräder der Nevoigts erfreuen sich hoher Beliebtheit. 1911/1912 wird Diamant dann auch zum Namen für das ganze Unternehmen – und die junge Firma bekommt ein Gesicht: Die Nevoigts lassen „Diamant“ und das „Köpfchen“ schützen. Eine einzigartige Marke entsteht.

1913 – 1945: Pioniere fürs Zweirad – Expansion durch innovative Fahrradtechnologie

Im Ersten Weltkrieg muss Diamant leider Rüstungsgüter produzieren. Erst 1918 bauen die Fahrradwerke auch wieder Fahrräder. Im Jahr 1922 liegt die Fahrradproduktion dennoch bereits wieder bei imposanten 55.000 Rädern und im Jahr 1926 besitzt das Unternehmen immerhin nicht weniger als zwölf (12!) Patente, aus denen weltbewegende Innovationen resultieren:

  • Ein Bahnrad in Leichtbauweise, das schon 1927 nicht mehr als 7 kg wiegt
  • Der Gesundheitslenker für eine schonende Handhaltung, mit dem Diamant die Grundlage für moderne Fahrradergonomie legt
  • Die ersten Hebelmuttern für einen schnellen Radwechsel, auf deren Basis Tullio Campagnolo 1933 den Schnellspanner entwickelt

Anfang der 1920er reiht sich Rennerfolg an Rennerfolg. Das Geschäft boomt. Der Diamant strahlt. Dann verblasst in der Weltwirtschaftskrise auch der erste Glanz von Diamant. Die Nevoigt-Brüder sind längst und nicht ganz im Frieden aus dem Unternehmen ausgeschieden. 1928 übernimmt Opel das Unternehmen inmitten schwerer Turbulenzen. Diamant versucht’s auch mal mit Motorrädern. Manche dieser Maschinen schaffen es im Laufe ihres Lebens bis nach Indien. Diese Zeit legt die frühe Wiege für das E-Bike. So kann das Diamant-Lieferrad von 1934 mit einem kleinen Motor von Fichtel & Sachs ergänzt werden.

Die Qualität der Fahrräder leidet. Opel setzt auf günstige Fertigung, um durch niedrige Preise den Verkauf anzukurbeln. Nur passt das einfach nicht zu Diamant. Die Geschäftsführung revoltiert, befreit sich und konzentriert sich wieder auf hochwertige Fahrräder aus Sachsen. Dann allerdings bricht der Zweite Weltkrieg aus. Es ist unsere hässlichste Phase, denn die Diamant Fahrradwerke setzen für die Rüstungsproduktion auch Zwangsarbeiter ein. Als am 5. März 1945 über 900 US-Bomber die Industriestadt Chemnitz angreifen und in Trümmer legen, bleiben die Diamant-Werke von den Bomben verschont. Die Maschinen der benachbarten Wanderer-Werke werden demontiert und in die UDSSR verbracht. Diamant hilft erneut der Zufall: Die Fahrradwerke stehen schlichtweg auf der Liste weit genug unten. Sie sind nicht an der Reihe, bevor die Demontage-Politik frühzeitig abgebrochen wird.

1946 – 1990: Herausfordernde Erfolge – Mit der Friedensfahrt entsteht der Kult

1946 wird die bisherige Diamant AG per Volksentscheid gelöscht und von der sowjetischen Aktiengesellschaft Awtowelo (Abkürzung für „Selbstangetriebenes Fahrrad“) übernommen. Diamant wird wenig später VEB (volkseigener Betrieb). Wieder steht Diamant kurz vor dem Aus, weil der VEB sich eigentlich auf Strickmaschinen konzentrieren soll. Dann erkennt die DDR-Führung aber das wirtschaftliche Potential von hochwertigen Fahrrädern – und die stellt in der DDR nur Diamant her.

Zur Legende werden ein Rad und ein Fahrer. Mit dem Straßenrennrad Nr. 167 holt sich „Täve“ Schur 1955 auf der Internationalen Friedensfahrt den ersten Sieg eines deutschen Fahrers. Auf diesem „Friedensfahrtmodell“ wird Schur 1958 sogar Sieger bei der WM der Radamateure in Frankreich – ebenfalls als erster deutscher Fahrer überhaupt. Er ist nicht der einzige berühmte deutsche Profi, der (zumindest zeitweise) auf Diamant fährt:

  • Uwe Ampler: 4-facher Gewinner der Friedensfahrt, Goldmedaillengewinner im Mannschaftszeitfahren bei den Olympischen Spielen
  • Adolf and Richard Huschke: Deutschlands erfolgreichste Berufsradfahr-Brüder in den 1920ern, von denen Richard mit seinem Partner bis heute den Distanzrekord am Berliner Sechstagerennen hält
  • Gustav «Täve» Schur: Der erste berühmte Radsportler aus Ostdeutschland. Zweifacher Weltmeister der Amateure in 1958/1959, Doppelsieger der Friedensfahrt
  • Jan Ullrich: Das deutsche Radsport-Wunderkind, reich an Talent un Potential, erster und einziger Gewinner der Tour de France in 1997
  • Jens Voigt: Zwei Tour de France-Etappen, Stundenweltrekordhalter in 2014, international hoch geschätzte Radsportpersönlichkeit
  • Erik Zabel: Sieger von 211 Radrennen, inclusive 6 Punktewertungen an der Tour de France, mutmaßlich einer der besten Sprinter aller Zeiten
Das Diamant 167 mit Signatur von Täve Schur

Es gibt in der DDR nur wenige Fahrradmarken: Diamant und Mifa, bis in die frühen 60er auch Möve. Wer ein gutes Rad will, der kauft Diamant. Geld verdient Diamant auch damals überwiegend mit Tourensporträdern für Alltag und Urlaub. In enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) entstehen in Chemnitz allerdings noch viele sehr innovative und leistungsfähige Rennräder.

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Dieses Porträt eines Diamant-Zeitzeugen verdanken wir Petor Georgallou, der es mit Unterstützung von The Radavist, Bespoked und Diamant umgesetzt hat.

1990 – 2004: Neustart nach der Wende – Sächsische Handarbeit mit Schweizer Unterstützung

Gegen Ende der DDR fehlt es an Ressourcen und modernen Anlagen. Mit der Wende trennen sich die Fahrradproduktion und die Strickmaschinen-Sparte. Die Nachfrage nach Fahrrädern aus ostdeutscher Produktion bricht komplett ein. Der größte Schweizer Hersteller Villiger rettet Diamant vor dem Untergang, denn die Fähigkeiten der Diamant-Belegschaft sind Gold wert.

Villiger hat eine über 100-jährige Tradition in der Zigarrenherstellung. Fahrräder gehören erst seit den 1980ern zum Programm. Villiger investiert – erfolgreich: Diamant und Villiger. Diamant macht Schlagzeilen mit kreativen, mutigen Innovationen. Leider sind manche mehr kurios als clever.

  • Der City-Blitz – das zweite deutsche E-Bike in Serienproduktion mit 26 km Reichweite
  • Das Handy – ein nicht sehr handliches Faltrad aus Edelstahl
  • Der Stripper – ein handgelötetes, nackt lackiertes Rad in Kleinserie mit Rostproblem
  • Der Beachcruiser F40 – ein experimentelles Rad für eine noch ganz neue Kategorie
  • Das Tepex™ Demo-Bike – ein innovatives City Bike aus Komposit statt Metall
  • Das Snike – ein Knicklenker-Fahrrad, das aus der Hüfte gesteuert wird

Bald stoßen die alten Fahrradwerke an ihre Grenzen. Diamant zieht 1995 aus Chemnitz-Reichenbrand vor die Tore der Stadt nach Hartmannsdorf. Dort steht eine noch nigelnagelneue Halle leer. Der bankrotte Erbauer: Die Strickmaschinensparte.

Diamant history katalog 1995

Nach 2005: Renaissance – Echt, die gibt’s noch!

Um die Jahrtausendwende schrumpft der Fahrradmarkt. Villiger konzentriert sich lieber auf Zigarren und zieht sich 2002 aus dem Geschäft wieder zurück. Trek, ein amerikanisches Unternehmen im Besitz der Familie Burke, kauft Villiger und alle Submarken – einschließlich Diamant. Deutschlands ältester Fahrradhersteller begeistert John Burke. Später stellt Trek fast alle Submarken ein. Diamant bleibt.

Im Gegenzug expandiert Diamant. Nach über 125 Jahren steht Diamant erstmals auch in Österreich und in der Schweiz im Schaufenster. In der Schweiz ist Diamant so erfolgreich, dass unser Marktanteil nach den ersten 15 Jahren höher liegt als in unserer deutschen Heimat. Über 50.000 Menschen steigen heute jedes Jahr auf ein neues Diamant-Rad.

Diamant history zouma if design

Diamant profitiert von Trek, denn Trek hat eine sehr starke Lieferkette und eine sehr ausgeprägte händlerfreundliche Vertriebskultur. Über die Jahre entstehen viele Räder von Diamant auf geteilten Rahmenplattformen. Immer bleibt auch Raum für Eigenständigkeit und Profil.

  • Das Diamant Juna erfindet das E-Bike im Retro-Stil.
  • Das innovative und stilvolle Commuter E-Bike Zouma mit einem semi-integrierten Akku gewinnt Design-Preise.
  • Die streng limitierten, jährlich neu gestalteten Kollektionsräder werden zu unserer jüngsten Tradition.

«Bei uns steht auch noch ein altes Diamant im Keller», schreibt uns eine. «Meine Eltern sind früher auch immer Diamant gefahren», sagt einer. Im Straßenbild von Chemnitz, Leipzig und Dresden, Berlin und Potsdam ist Diamant, was Peugeot in München, Hamburg und Köln ist. Mit dem Unterschied: Es mischen sich auch moderne Diamant-Räder unter die gesuchten Oldtimer.

Unsere Zukunft – Hochwertige Fahrräder mit Kultfaktor

Heute sind die Diamant Fahrradwerke die einzige eigene Fahrradfabrik von Trek weltweit. Trek hat uns Beständigkeit und Zukunft geschenkt: Wir sind quicklebendig. Immer noch steht Diamant für hochwertige Fahrräder aus Sachsen. Immer noch montieren unsere eigenen Mechaniker jedes einzelne Diamant vor Ort in Hartmannsdorf. Heute bauen wir auch die Bikes von Trek und Electra für den europäischen Markt.

Produktmanagement und Marketing von Diamant sitzen seit Villiger-Zeiten in der Schweiz – auch das inzwischen mit fast 40 Jahren Tradition. Unsere Ingenieure und Designer arbeiten gemeinsam mit den Kollegen von Trek im Entwicklungszentrum in Harderwijk in den Niederlanden. Man kann sagen: Diamant ist ein Sachse mit Ferienhaus in der Schweiz, Zweitwohnsitz in den Niederlanden und einer Ehefrau aus den USA.

Wir, die wir für Diamant arbeiten, haben große Leidenschaft. Wir wollen das lange Erbe von Diamant fortschreiben – jeden Tag mit Stolz und Dankbarkeit. Diamant ist uns eine Herzensangelegenheit. Diese persönliche Bindung teilen wir mit vielen treuen Fans der Marke. Sie ist das, was Diamant von anderen Traditionsunternehmen unterscheidet. Unsere Geschichte ist lang. Es ist die Geschichte von dir, die sich in unserer eigenen widerspiegelt. Auf und ab. Bewegt. Aber immer weiter.