
Mit dem Fahrrad nach Sizilien – Mamma Mia!
Im Juli haben wir (Flo, Björn und Dominik) von unserem Vorhaben berichtet, mit dem Fahrrad von Münster bis zum südlichsten Punkt Italiens zu reisen. Diesen Beitrag findest du hier: 3’000 Kilometer mit dem Diamant 018. Mit viel Vorfreude ging es für uns Anfang August dann endlich los. Unser erstes Mal Bikepacking! Nach exakt sieben Wochen, 3.365km, 3,5-mal den Mt. Everest, sechs Platten, einem Sturz und Armbruch, Wolfs- und Wildschweinbegegnungen und einer unfassbar aufregenden Zeit sind wir in Sizilien angekommen – aber fangen wir von vorne an:
TAG DER ABFAHRT
Nachdem wir unsere gemütlichen Betten ein letztes Mal gemacht, unsere Pflanzen gegossen, einen letzten Kaffee aus unserer geliebten Siebträgermaschine getrunken, die letzten Sachen in unseren Fahrradtaschen verstaut und den Start unserer Tour aufgrund des sehr schlechten Wetters um eine Stunde verschoben haben, verlassen wir um 10 Uhr unsere WG mit einem gemischten Gefühl aus Vorfreude und Aufregung Richtung Münsteraner Domplatz. Mit dem Gedanken, dass wir für die nächsten 60 Tage mit Sack und Pack unterwegs sein werden und es nun endlich losgeht, kommen wir aus dem Grinsen gar nicht mehr raus.

Unsere erste Etappe startet in Richtung Ruhrgebiet. Voller Motivation treten wir bei regnerischen Bedingungen kräftig in die Pedale und wollen die ersten Meter durch das flache Münsterland hinter uns lassen. Und als wolle uns irgendeine höhere Gewalt auf die Probe stellen, müssen wir schon nach 25km das erste Mal einen platten Reifen wechseln. Die ersten Gedanken : „Wie wollen wir bloß 3.000km bezwingen, wenn wir jetzt schon den ersten Platten haben?“. Doch für die technischen Probleme ist Domi am Start – er ist unser Mechaniker der Tour und wechselt mit zwei, drei gekonnten Handgriffen den platten Reifen in rekordverdächtiger Zeit. Uns ist klar, dass auf dieser langen Reise noch einige Probleme und brenzlige Situationen auf uns warten werden. Die Mischung aus Ungewissheit und Selbstvertrauen, auch diese Ereignisse gemeinsam meistern zu können, macht den Reiz einer solchen Reise wahrscheinlich aus.
DIE DEUTSCHLAND-ETAPPE
Die ersten Tage am Rhein und Neckar entlang gen Süden sind für uns die perfekten Gegebenheiten, um uns an das tägliche Fahrradfahren und die körperlichen Belastungen zu gewöhnen. Wir sind erstaunt von den vielen schönen Städten auf unserem Weg und sind froh, ab und zu bei unseren Freunden übernachten zu können. Mit mehr Rückenwind als erwartet, kommen wir sogar erstaunlich schnell voran und sehen bereits am neunten Tag das erste Mal die Alpen. Diese werden während der Fahrt durchs schöne Allgäu immer größer, bis wir schließlich in Füssen am Forggensee ankommen. Deutschland ist schön, aber jetzt beginnt das Abenteuer im Unbekannten.


ALPENÜBERQUERUNG: EINFACHER ALS ERWARTET
Die Alpen wollen wir über die alte Römerstraße – Via Claudia Augusta – überqueren. Entlang des Fern- und Reschenpasses erreichen wir den ersten großen Meilenstein – unsere ersten 1.000 km – und erstaunlich schnell die italienische Grenze am Reschensee. Überrascht von der schnellen Alpenüberquerung realisieren wir, dass die Alpen nur einen geringen Teil der gesamten Höhenmeter ausmachen und Italien hügeliger zu sein scheint als erwartet.


ITALIEN: VON SÜDTIROL BIS NACH SIZILIEN
Vom Reschensee geht es für viele Kilometer mit Rückenwind bergab, sodass wir Südtirol schnell hinter uns lassen und einen sonnigen Ruhetag am Gardasee einlegen. Aber auch in Italien gibt es Wolken. Strömender Regen und starke Gegenwinde machen uns auf den nächsten zwei Tagesetappen zu schaffen. Nach endlosen Kilometern entlang alter Bahntrassen, kommen wir abends im schönen Bologna an und gönnen unseren erschöpften Körpern zum ersten Mal ein Hotelzimmer. Doch auch hier bleibt der Weg das Ziel: Am nächsten Tag waschen wir unsere klammen Klamotten, schauen uns Bologna an und fahren schon am späten Nachmittag weiter Richtung Florenz. Gegen Abend fahren wir aus Neugierde lauter Musik nach und landen auf einem kleinen Dorffest in Malpasso. Dort lernen wir einen Helikopterpiloten der italienischen Feuerwehr namens Davide kennen. Es gibt das ein oder andere Glas Bier und die Nacht verbringen wir auf seinem Grundstück. Städte wie Bologna schaffen Atmosphäre, aber dann ziehen sie vorbei. Begegnungen wie mit Davide bleiben.

DER WOLF
Am Folgetag überqueren wir den nördlichen Apennin, wo nun auf steile und langwierige Auffahrten, schnelle und kurze Abfahrten folgen. Am Ende des Tages sind wir sehr erschöpft und finden in einem Waldgebiet kurz vor Florenz einen guten Platz zum Übernachten. Oder so scheint es. Allerdings denken nicht nur wir so. Wir sind gerade schlafen, da knackt es laut im Gebüsch. Tierbesuch. Bömmi fragt:„Jungs, habt ihr das auch gehört?“ Auf Domis Rückfrage („Nee, was meinst du?“) antwortet ein Wolf unmittelbar mit dem dunkelsten Knurren, das wir je gehört haben. Schnell schießt uns das Adrenalin in unsere Adern und der Puls steigt bis ins Unermessliche an. Den Kontakt zu Haustieren kennen wir zwar bestens, einem Wildtier in der Dunkelheit ausgesetzt zu sein, ist aber eine ganz neue und andere Erfahrung. Zum Glück haben wir bereits am Vortag durch Davide von der Existenz der Wölfe in diesem Gebiet gehört und wissen was zu tun ist. Mit Hilfe unserer eigenen Stimmen und lautem Händeklatschen vertreiben wir den Wolf – es bleibt jedoch eine eher unruhige Nacht.
Am nächsten Morgen tauschen wir uns über die Ereignisse der letzten Nacht aus und sind froh alles gesund überstanden zu haben. Anschließend packen wir unsere Sachen zusammen und lassen uns bergab bis in die Flachebene von Florenz rollen. Wir beschließen, das wunderschöne, aber auch stark besuchte Florenz nach einer kleinen Rundfahrt zu verlassen, und befinden uns erstmals in der Toskana. Diese kennen wir bis hierher nur aus Filmen und sind von der weich geschwungenen, hügligen Landschaft mit ihren Zypressenalleen, kleinen Dörfchen und schönen Häusern begeistert. So schön wie dieser Streckenabschnitt auch ist, verlangt uns dieser bei Temperaturen weit über 30 Grad doch einiges ab. So müssen wir immer wieder an öffentlichen Trinkbrunnen halten und darauf hoffen, dass diese nicht trockengelegt sind. Die Gelegenheit sich in Bächen und Flüssen zu waschen ist kaum mehr möglich, da diese auf Grund der großen Trockenheit allenfalls schlammiges oder gar kein Wasser mehr enthalten. Wir sind heilfroh, nach einigen Tagen den Lago di Bolsena zu erreichen und uns im See endlich eine Abkühlung zu genehmigen.


DIE EWIGE STADT UND IMMER NOCH KEINE LANGEWEILE
Mit viel Vorfreude kommen wir nach einer Tagesetappe in Rom an, welches uns durch seine Vielzahl von Sehenswürdigkeiten fesselt. Begeistert von der Architektur des Kolosseums, vielen historischen Gedenkstätten und dem obligatorischen Münzwurf in den bekannten Trevi-Brunnen, starten wir in das gemütliche Nachtleben von Rom. Hier bleiben wir sogar einen Moment länger. Erst nach zwei Tagen verlassen wir Rom über die Via Appia Antica – eine alte historische Römerstraße – in Richtung Neapel und können am 30. Tag auf Höhe der Papstresidenz Castel Gandolfo erstmals das Mittelmeer sehen. Der Stolz, es bis ans Meer geschafft zu haben steht uns zu diesem Zeitpunkt ins Gesicht geschrieben. Bei dichtem Verkehr und starkem Regen erreichen wir Neapel in der Dunkelheit und entscheiden uns erneut dafür, ein Hotelzimmer zu nehmen.

Am Vesuv vorbei fahren wir nach Pompeji und schauen uns die historische Stadt an. Von hier aus geht es über die Monti Lattari (Milchberge) zur Amalfiküste. Für eine lange und steile, aber auch sehr schöne Auffahrt, werden wir mit der wohl beeindruckendsten Abfahrt der gesamten Tour belohnt. Entlang der vielen kleinen Dörfchen lassen wir uns dem Sonnenuntergang entgegenrollen und haben dabei immer ein Grinsen im Gesicht. Die Bilder sprechen für sich. Diese Momente und diese Aussichten motivieren uns auch nach mehr als einem Monat noch: Es wird nicht langweilig.

MAN SIEHT SICH WIRKLICH IMMER ZWEIMAL IM LEBEN
In Scalea, erschöpft vom bergigen Gelände in Süditalien, treffen wir auf einen alten Bekannten. Davide (der italienische Helikopterpilot) empfängt uns mit seinem Kollegen und lädt uns zu einem ausgiebigen Abendessen ein. Die Nacht dürfen wir auf seinem abgestellten Boot verbringen; am nächsten Tag zeigt er uns seinen Einsatzort. Hier dürfen wir sogar in seinem Löschhelikopter Platz nehmen, den er uns bei einer Führung über den Flugplatz zeigt.

Nach einer herzlichen Verabschiedung machen wir uns anschließend auf die Weiterreise. Es fühlt sich nach den anstrengenden Tagen im südlich Appenin wie ein gemütliches Ausfahren an. Wir belohnen uns immer wieder mit Pausen an den schönen Stränden Kalabriens und kommen entlang des italienischen Stiefels Sizilien immer näher.

Als wir Sizilien dann zum ersten Mal sehen, überkommt uns ein gemischtes Gefühl aus Fassungslosigkeit und Stolz. Wir bleiben eine ganze Zeit lang am Straßenrand stehen und schauen in uns gekehrt in die Ferne über das Meer und machen uns mal wieder klar, dass wir echt mit dem Fahrrad hierhergekommen sind. Noch am selben Abend setzen wir mit der Fähre von Villa San Giovanni nach Messina über und erreichen nach 39 Tagen und exakt 3.000 Kilometern unsere erste Unterkunft auf Sizilien.


DER ÄTNA
Von Messina aus fahren wir über das historische Taormina in Richtung Catania. Nach einem entspannten Tag am Strand machen wir uns am Folgetag – nach ausgiebiger Planung – auf den Weg zum Ätna. Dessen Gipfel wollen wir mit dem Fahrrad erklimmen. Nach etwas mehr als vier Stunden Fahrt bergauf erreichen wir unser „Basislager“. Wir spannen in einem Waldstück unsere Hängematten und schlafen in absoluter Stille ein. Morgens klingelt der Wecker bereits um 5 Uhr und wir verstecken unsere schweren Gepäcktaschen in einem Gebüsch. Voller Vorfreude fahren wir im Sonnenaufgang los. Es fühlt sich an wie ein Abenteuer im Abenteuer. Nach etwa vier Stunden fahren und schieben erreichen wir den Punkt, ab dem man regulär nur noch mit einem Guide weitergehen darf. Wir wägen ab und beschließen gemeinsam, dass wir weiter gehen. Unsere Fahrräder verstecken wir in einer kleinen Mulde. Den restlichen Weg wandern wir und erreichen nach einem beschwerlichen Aufstieg endlich den Hauptkrater des Ätnas. Die grünlich gefärbten Basaltfelsen und das aufsteigende Schwefeldioxid lassen uns glauben, wir seien auf einem anderen Planeten. Lange halten wir dort inne, bevor wir den Abstieg antreten und uns mit den Fahrrädern in Richtung Wolkendecke rollen lassen.



Die Route:
Hier findest du die ganze Route, inklusive Tagestouren, von Flo, Björn und Dominik mit vielen weiteren Bildern: Mit dem Fahrrad von Münster nach Sizilien | Komoot
DER GEBROCHENE ARM
Am nächsten Tag schauen wir uns die Innenstadt von Catania an und fahren weiter nach Syrakus. Von dort aus wollen wir das nur 60 Kilometer entfernte Ziel unserer Reise – den südlichsten Punkt Siziliens und Italiens – erreichen. Die Stimmung ist gut und das große Ziel in greifbarer Nähe, als das Unvorstellbare passiert. In einem unaufmerksamen Moment kommt Flos Vorderrad bei voller Geschwindigkeit von der Schnellstraße ab und gelangt so in eine Entwässerungsrinne. Reflexartig lenkt er nach links, um das Rad wieder auf die Fahrbahn zu bringen. Dies ist der Moment, in dem das Rad verkantet und Flo unkontrolliert über den Lenker geschleudert wird.
Als er aufsteht, ist schnell klar, dass etwas mit seinem linken Arm nicht in Ordnung ist. Provisorisch befestigen wir Zeltstangen mit Klebeband unter seinem Arm, um diesen zu stabilisieren. Bis zum nächstgelegenen Krankenhaus sind es zum Glück nur wenige Kilometer. Weil dort kein Orthopäde arbeitet, wird Flo nach langem Warten mit einem Krankenwagen in ein anderes Krankenhaus gefahren. Bömmi und Domi steuern den nächstgelegenen Campingplatz an.
Das Röntgenbild gibt letztlich Gewissheit darüber, dass Flo durch den Sturz einen Splitterbruch der Speiche erlitten hat. Was seine Knochen bricht, bricht aber noch lange nicht seine Moral: Als er abends völlig erschöpft am Campingplatz ankommt, sind seine ersten Worte: „Jungs, wir bringen das auf jeden Fall zu Ende.“


WIR BRINGEN DAS AUF JEDEN FALL ZU ENDE
Flo klagt am nächsten Morgen über starke Schmerzen, möchte das Ziel jedoch unbedingt erreichen. Er hält den Lenker einhändig, stets in der Mitte zwischen Domi und Bömmi. Während wir unserem Ziel immer näher kommen, erinnern wir uns gemeinsam an alle Eindrücke und Erfahrungen, welche wir auf dem Weg von Münster bis hierher gesammelt haben. Als wir an der Statue del Cristo Redentore ankommen, ist unsere Freude grenzenlos. Wir verbringen noch den gesamten Nachmittag am Ziel unserer Reise. Freude mischt sich mit Stolz und mit Wehmut: Hier endet unser gemeinsames Abenteuer. In diesem Moment ist uns bewusst, wie wahr dieses abgedroschene Klischee ist: Diese Zeit auf dem Rad wird uns für immer verbinden.

Für Flo geht es am folgenden Tag mit dem Flieger von Catania aus nach Düsseldorf, wo er bereits einen Tag später operiert wird. Bömmi und Domi haben noch knapp drei Wochen Zeit, die Insel zu umrunden, bevor auch sie in Palermo wieder in das Flugzeug in die Heimat steigen.
DER KLEINE EPILOG
Jetzt sitzen wir wieder gemeinsam auf unserer Couch, schreiben diesen Text und erinnern uns an so viele schöne weitere Erlebnisse, die den Rahmen dieses Blogbeitrags sprengen würden. Hier sollten wir uns ja „kurz“ fassen, hat Diamantrad gesagt (und uns trotzdem über 3500 Wörter Platz geschenkt). Wenn wir dein Interesse an unserer Tour geweckt haben, kannst du gerne in den Diamantrad-Podcast „Köpfchen spricht“ reinhören. In der Folge Mit dem Fahrrad nach Sizilien – Mamma Mia! erzählen wir von weiteren Erlebnissen und Begegnungen.
Woran denken wir als erstes, wenn wir uns an die Tour zurück erinnern?
- Flo: Ich denke zuerst an unsere vielen unterschiedlichen Schlafplätze. Während wir in Deutschland vor allem bei unseren Freunden übernachten konnten, wussten wir in Österreich und Italien morgens beim Losfahren noch nicht, wo wir abends unser Lager aufschlagen werden. Trotz dieser Unsicherheit haben wir immer ein passendes Plätzchen gefunden – ob in Gärten von italienischen Landwirten, an einem versteckten Bergsee mit Blick auf das Ortler Gebirge, in den alten Etruskergräbern von Sutri oder der Lichtung mit Blick auf Florenz, wo wir nachts tierischen Besuch bekommen haben.
- Domi: Der Gedanke an die Tour löst in mir ein Gefühl der Freiheit, des Glücks und der Ungebundenheit aus: Jeden Morgen ins „Ungewisse“ aufbrechen und mit neuen Erlebnissen und Erfahrungen den Tag beenden.
- Bömmi: Wenn ich mich an die Fahrrad-Tour zurückerinnere, dann denke ich an die gemeinsamen Erlebnisse mit Domi und Flo. Verschiedenste Momente miteinander teilen zu können und zu durchleben hat diese Tour zu etwas Besonderem gemacht. Beispielsweise das Bezwingen steiler Anstiege bei hohen Temperaturen, die Schönheit verschiedenster Städte gemeinsam wahrzunehmen, Menschen wie Davide zu begegnen oder nächtlichen Besuch von wilden Tieren zu bekommen. Diese Situationen gemeinsam zu durchleben und immer wieder gemeinsam Lösungen zu finden, hat die Tour nicht nur zu etwas Besonderem gemacht, sondern auch dafür gesorgt, dass wir uns untereinander noch viel tiefgehender kennenlernen durften.
Welche Etappe war die schönste für uns?
- Flo: Die schönste Etappe war für mich der zweite Tag unserer Alpenüberquerung. Über die Via Claudia Augusta ging es quer durch die Alpen, begleitet von imposanten Bergen und wunderschönen Tälern über den Reschenpass in Richtung Italien. Ich erinnere mich besonders gerne an die Abfahrt kurz vor der schweizerischen Grenze – nach einem längeren Anstieg ging es plötzlich in der Nachmittagssonne inmitten eines eindrucksvollen Felsmassivs und einer berauschenden Geschwindigkeit bergab. Das hat extrem viel Spaß gemacht!
- Domi: Die Etappe von Pompeji zur Amalfi-Küste kommt mir da direkt in den Sinn. Sie führte über die Milchberge: Während wir durch die Serpentinen schnell an Höhe gewannen, konnten wir immer wieder auf den Vesuv, Pompeij und Neapel schauen. Als wir die höchste Stelle des Bergs überquerten, lag auf der anderen Seite die Amalfi-Küste und es folgte die für mich schönste Abfahrt der Tour. Nach dem beschwerlichen Aufstieg konnten wir uns dem Sonnenuntergang entgegenrollen lassen und die an der Steilküste befindlichen Orte bewundern.
- Bömmi: Da ich unvoreingenommen in das Abenteuer starten wollte, habe ich mich im Vorhinein nicht über Regionen, Städte und Sehenswürdigkeiten informiert. So war ich auf unserer Tour immer wieder aufs Neue von sehenswerten Städten wie Florenz, Bologna, Rom und Neapel fasziniert. Die schönste Etappe war für mich die Fahrt durch die Toskana. Das Zusammenspiel aus einer geschwungenen, hügeligen, trockneren Umgebung mit grünen Zypressen und kleinen Städten wie Pitigliano oder Siena haben bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
In welchem Moment kamen wir an unsere Grenzen?
- Flo: Die Etappe nach meinem Armbruch war hart. Während ich mich bei den anderen Etappen über jeden Höhenmeter gefreut habe, weil ich wusste, dass diese auf der Gesamtstrecke gesehen immer weniger werden, wollte ich die letzte Etappe nur hinter mich bringen. Nachdem ich mir blöderweise am vorletzten Tag und bei dem allerersten Sturz der gesamten Tour den Arm gebrochen hatte, musste ich die letzten 40 km bis zu unserem finalen Ziel unter Schmerzen einhändig fahren. Am südlichsten Punkt Siziliens und dem Ziel unserer zweimonatigen Reise angekommen, habe ich die Strapazen des Tages aber schlagartig vergessen.
- Domi: Das war während der Etappe am südlichen Apennin, wo wir uns in der Mittagssonne bei über 30 Grad die wahrscheinlich steilsten Berge der gesamten Tour in Schlangenlinien hochquälten. Am Ende des Tages fuhren wir insgesamt 137 km mit etwa 2.500 Höhenmetern.
- Bömmi: Ich kann mich an einen Tag mit hohen Temperaturen, wenige Kilometer vor der Überfahrt nach Messina, erinnern, an dem wir an unsere Grenzen und darüber hinaus gegangen sind. Das Tagesziel war es die Fähre nach Messina zu erreichen. Dafür mussten wir über 100 Kilometer mit vielen Höhenmetern zurücklegen. Wir hatten ca. 60 km hinter uns und fuhren bereits einige Stunden bei 35 Grad auf aufgeheiztem Asphalt in Richtung Fähre, als ich merkte wie mir plötzlich schwummrig wurde und ich das Gefühl hatte bei weiterer Anstrengung vom Fahrrad zu fallen. An dieser Stelle hatten wir unserem Körper zu viel zugemutet und waren gezwungen eine längere Pause im Schatten zu machen und dabei ausreichend Flüssigkeit und Nahrung zu uns zu nehmen. Glücklicherweise verbesserte sich unserer Verfassung nach kurzer Zeit. Wir setzten unsere Fahrt fort und erreichten die Fähre am späten Abend.
Auf welches Equipment hätten wir nicht verzichten wollen?
- Flo: Auf den faltbaren Campingstuhl: Bei der Zusammenstellung unseres Equipments habe ich Domi noch belächelt, dass er einen faltbaren Campingstuhl gekauft hat. Mir war nicht klar, welchen Nutzen ein Campingstuhl haben soll, was das Mitschleppen von zusätzlichen 500 Gramm rechtfertigen würde – man kann ja auch wohl im Zelt oder auf dem Boden sitzen. Nach fast zwei Monaten auf Tour und nach vielen Nächten im Freien, habe ich eine andere Meinung zum faltbaren Campingstuhl. Die 500 Gramm würde ich immer wieder liebend gerne „mitschleppen“, da wir so morgens zum Frühstück, bei unseren Pausen oder abends im neuen Zeltlager gemütlich zusammensitzen konnten.
- Domi: Für mich als Chef-Mechaniker der Tour war das Werkzeug zum Ausrichten der Felge (Nippelspanner) und das Flickset eines der wichtigsten Equipments. Außerdem zählt die Hängematte mit Mosquitonetz zu meinen Highlights, weil meine Isomatte im Laufe der Tour kaputt ging und ich so dennoch einen komfortablen Schlaf bekommen konnte.
- Bömmi: Bei der Auswahl und Anschaffung unseres Equipments haben wir viel Wert auf Funktionalität und Qualität gelegt. So besaßen wir beispielsweise Schlafsäcke und Isomatten mit einem sehr kleinem Packmaß und geringem Gewicht. Die wichtigsten Gegenstände bleiben für mich jedoch die Gepäcktaschen von Vaude, welche uns einen großen Stauraum boten und selbst dem Starkregen in Norditalien standhielten. Neben dem stylisch-schlichtem Aussehen, überzeugten sie mich durch das hochwertige Material und ihr leichtes Gewicht.
Was haben wir auf unserer Tour gelernt?
- Flo: Ich habe gelernt, dass man ein großes und scheinbar weit entferntes Ziel erreichen kann, wenn man dieses etappenweise verfolgt und dabei nicht alles ins letzte Detail planen kann. Die Gesamtstrecke von 3.400 km war für mich vor und nach der Reise eine enorme Distanz – eine Distanz, die schon fast angsteinflößend wirkt. Wohingegen wir während der Tour nie an die Gesamtstrecke gedacht haben, sondern einfach unsere täglichen Kilometer gefahren sind, dabei die Vielseitigkeit der Strecke genossen und vieles einfach auf uns zukommen lassen haben – und auf einmal waren wir, beinahe plötzlich, auf Sizilien.
- Domi: Wir haben das Land Italien mit den viele kleinen schönen Dörfern und Städten, die unterschiedlichen Landschaften und die gastfreundlichen und offenen Menschen kennengelernt. Außerdem lernten wir uns als Freunde, mit all unseren Stärken und Schwächen, besser kennen.
- Bömmi: Ich habe vor der Tour nicht erwartet, wie viel Zeit das tägliche Ein- und Auspacken des gesamten Equipments und der Auf- und Abbau der Zelte benötigt. So waren wir meist eine bis anderthalb Stunden mit dem Be- und Entladen des Fahrrads beschäftigt, bevor wir unsere Weiterfahrt fortsetzen konnten. Im Laufe der Tour lernten wir, unser Equipment immer sinnvoller zu packen und diesen Prozess zu verkürzen.
Welche Erfahrung haben wir mit dem 018er von Diamant gemacht?
- Flo: Das Diamant 018 ist ein Trekking®-Rad mit Mountainbike-Charakter – einerseits ist das Rad super stabil, wodurch wir nicht an Gepäck sparen mussten, anderseits ist es durch die Federung und dicken Reifen auch für schwierigeres Terrain geeignet. Für so eine Tour war es also perfekt und ich war sehr happy.
- Domi: Auf das 018er war stets Verlass. In jeder Situation hatte ich das Gefühl einen sicheren Begleiter an meiner Seite zu haben. Ob auf glattem Asphalt oder steinigem Terrain – wie am Ätna oder in den Bergen – die Stabilität des Rahmens, die dicke Bereifung und die hohe Qualität des Rads ermöglichten uns erst eine reibungslose Reise. Im Münsteraner Stadtverkehr wird dieses Rad nun weitergenutzt und ist bereit für die nächste große Reise.
- Bömmi: Nach ungefähr 3.400 km habe ich einige bleibende Erinnerungen an das 018er-Rad im Kopf. So stand ich zum Beispiel bei einer steilen Schotter-Abfahrt kurzeitig quer in der Luft. In diesem Moment war der breite Reifen und der stabile Rahmen von Vorteil. So gelang es mir durch ein kurzes Rumreißen des Lenkers und ein beherztes Aufsetzen des Vorder- und Hinterrads, einen gefährlichen Sturz zu vermeiden. Besonders positiv bleibt mir darüber hinaus die vordere Gabelfederung in Erinnerung. Es war immer wieder hilfreich diese bei Unebenheit in der Stadt oder im Gelände zu verstellen, die Handgelenke so zu schonen und mit einem angenehmen Fahrgefühl auf dem Rad zu sitzen.